Weltweit leiden knapp eine Milliarde Menschen an Hunger und Unterernährung, obwohl auf der Erde nie zuvor mehr Nahrungsmittel produziert wurden als heute. Könnte ökologischer Landbau, der im Ruf steht, schwächere Erträge zu liefern, die wachsende Weltbevölkerung ernähren?
Olivier de Schutter, Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für das Recht auf Ernährung sagt ja und fordert eine radikale Agrarwende hin zur ökologischen Landbewirtschaftung. Mit „agrarökologischen Methoden“, sagte de Schutter Anfang März bei der Vorstellung seines Jahresberichts vor dem UN-Menschenrechtsrat, könnten Kleinbauern selbst auf verwitterten Böden die Nahrungsmittelproduktion „innerhalb von zehn Jahren verdoppeln“.
Die konventionelle Landwirtschaft, sagte de Schutter, sei „einfach nicht mehr die beste Lösung“. Auch deutsche Agrar- und Entwicklungsexperten trauen dem Biolandbau die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung in armen Ländern zu. Sie sind sich aber uneins, ob es dort genug Arbeitskräfte für die Agrarwende gibt und welche Rolle technische Hilfsmittel spielen sollen.
Der UN-Sonderbeauftragte verwies auf erfolgreiche ökologische Agrarprojekte in 57 afrikanischen Staaten, die zu landwirtschaftlichen Ertragssteigerungen von durchschnittlich 80 Prozent geführt hätten. Dass der Ökolandbau schwächere Erträge liefert, bezweifelt auch Markus Arbenz, Geschäftsführer der Bonner Geschäftsstelle der internationalen Dachorganisation des ökologischen Landbaus, IFOAM
Der Agraringenieur sagt, ökologischer Landbau habe durchaus das Potenzial, die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern.
Er verspreche nicht nur auf kargen Böden besonders gute Erträge, sondern könne in armen Ländern auch den „Weg von der industriellen Logik zur Wissensgesellschaft“ ebnen, da er wissensintensiver sei und besser ausgebildete Bauern brauche. Zudem – und das, so Arbenz, sei ein besonders schwerwiegender Vorteil – sei der Biolandbau arbeitsintensiver: Ökologische Landwirtschaft bringe mehr Menschen in Lohn und Brot als die rationalisierte und technisierte konventionelle Landwirtschaft und eröffne somit größeren Bevölkerungsteilen Zugang zu den Nahrungsmittelmärkten.
„Wir produzieren nicht zu wenig Nahrung“, sagt Arbenz. „Der Kern des Hungerproblems ist der fehlende Zugang armer Menschen zu diesen Märkten.“
Michael Brüntrup vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, einer Denkfabrik mit Sitz in Bonn, sieht dagegen gerade in der höheren Arbeits- und Wissensintensität des Biolandbaus eine besonders schwer zu nehmende Hürde. In Entwicklungsländern, sagt Brüntrup, gebe es zwar viele Arbeitskräfte. Beim Biolandbau komme es aber auch zwischen Aussaat und Ernte immer zu Arbeitsspitzen, die auch sie nicht auffangen könnten: „In vielen armen Ländern wird das Wachstum von Ökobetrieben nicht durch Landwirtschaftsflächen begrenzt, sondern durch das zu knappe Arbeitskräftepotenzial in Spitzenzeiten.“
Das bleibe in der Diskussion um Ertragssteigerungen oft unberücksichtigt. Dennoch hält der Agrarökonom die Verdopplung der Landwirtschaftserträge durch biologische Anbaumethoden in ärmeren Ländern prinzipiell für möglich. „Darüber hinaus gehende Ertragssteigerungen werden aber auf technische Hilfsmittel angewiesen bleiben“, so Brüntrup.
Für eine „Technisierung mit Augenmaß“ wirbt Frieder Thomas, Geschäftsführer des AgrarBündnisses aus Konstanz. Das Bündnis aus 25 verbraucher-, entwicklungs- und umweltpolitischen Organisationen setzt sich für eine nachhaltige Landwirtschaft ein.
Bei einer globalen Ausweitung des Biolandbaus dürfen nach Ansicht des Agraringenieurs ärmeren Ländern nicht in Europa erprobte Systeme übergestülpt werden: „Wir müssen die Menschen in den vor Ort vorhandenen Produktionssystemen stärken“, sagt Thomas.
Technik könne die Bio-Erträge zwar zweifellos steigern, aber auch einen Rationalisierungsprozess anstoßen, der Arbeitsplätze vernichte und zur höherem Energieverbrauch führe. Das sei angesichts des Klimawandels kontraproduktiv und sozialpolitisch fragwürdig.
Quelle: Rat für nachhaltige Entwicklung