Die Holzwerkstoff-Industrie steht mit dem Energiesektor und der Zellstoff-Industrie im Wettbewerb um den nachwachsenden Rohstoff.
Auf der Suche nach Alternativen zum immer gefragter werdenden Rohstoff Holz erprobte der rheinland-pfälzische Holzwerkstoff-Hersteller Lud. Kuntz GmbH drei Jahre lang den Einsatz verschiedener Ackerkulturen sowie deren Nebenprodukte. Besonderes Augenmerk galt dabei der Wirtschaftlichkeit: Raps- und Weizenstroh, Topinamburstängel, Miscanthus oder Hanfschäben sollten anteilig in den Produktionsablauf integriert werden, ohne Wirtschaftlichkeit oder Produktqualitäten in Frage zu stellen.
Im Ergebnis zeigte sich, dass dies durchaus möglich ist: Je nach Art der Platten und eingesetzten Bindemittel konnte das Unternehmen verschiedene Reststoffe im Praxismaßstab in unterschiedlichen Mengen beimischen. Dabei veränderten sich die qualitativen Eigenschaften der Produkte nicht nennenswert und auch die Produktionsabläufe konnten beibehalten werden. Die Wirtschaftlichkeitskalkulation ergab derzeit noch geringe Mehrkosten für die Rohstoffbeschaffung, die sich jedoch bei sich ändernden Rohstoffpreisen schnell relativieren könnten.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) hat das Vorhaben von 2007 bis 2010 über seinen Projektträger, die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), gefördert.
Die Holzwerkstoff-Industrie steht mit dem Energiesektor und der Zellstoff-Industrie im Wettbewerb um den nachwachsenden Rohstoff: Holz in Form von Wald- oder Recyclingholz und vor allem von Sägespänen (Industrierestholz), dem Hauptbestandteil der meisten Spanplatten. Da insbesondere der Energiesektor in den letzten Jahren ein starkes Wachstum verzeichnete, fürchten die Spanplattenhersteller um ihren Rohstoff. In der Tat musste die Branche in Europa bereits spürbare Preiserhöhungen verkraften, die in den von besonderer Holzknappheit geprägten Jahren 2006 und 2007 bei bis zu rund 50 Prozent lagen.
Doch nicht nur Holz, auch andere Pflanzen enthalten Lignocellulosen. Die Lud. Kuntz GmbH prüfte deshalb, unter welchen Voraussetzungen Pflanzenbestandteile aus dem Ackerbau Holz bei der Spanplattenherstellung teilweise ersetzen können. Auf einen 100-prozentigen Einsatz von Stroh & Co. verzichtete man, da bekannt ist, dass der verfahrenstechnische Aufwand und die Kosten dann zu hoch werden.
Nach Vorarbeiten im Labor der Georg-August Universität Göttingen fanden zahlreiche und breit angelegte Praxisversuche bei der Lud. Kuntz GmbH statt. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
* Spanplatten, die mit Bindemitteln aus Tannin- und Phenolformaldehydharzen in feuchtebeständiger Verleimung hergestellt werden, können bis zu 17 Prozent Rapsstroh enthalten, ohne dass sich ihre Festigkeitsparameter verschlechtern. Einzige Ausnahme ist die Kochquerzugfestigkeit, die jedoch die Grenzwerte nicht unterschreitet. Die ohnehin sehr niedrigen Formaldehydemissionen der Platten stiegen durch den Rapsstrohanteil nicht an.
* Zu ähnlichen Resultaten führte der Einsatz von Rapsstroh in mit Harnstoffformaldehydharzen gebundenen Spanplatten.
* Versuche mit leichten, mehrschichtigen Platten für den Möbelbau, gebunden mit Harnstoffformaldehydharzen, zeigten, dass die Mittelschicht bis zu 50 Prozent Miscanthus oder Topinamburstängel enthalten kann, ohne dass sich die physikalisch-technischen Eigenschaften nennenswert verschlechtern. Bei der Verwendung von Raps- und Weizenstroh in diesen Mengen ließ die Festigkeit der Platten hingegen deutlicher nach.
Insbesondere die letzten Ergebnisse sind interessant für die Industrie, da sich im Fall der Mehrschichtplatten die Oberflächeneigenschaften, relevant für das Schleifen, Beschichten und Lackieren, nicht verändern. Der hohe Asche- und Silikatgehalt der Ackerpflanzen würde in der Deckschicht den Holzbearbeitungsmaschinen schaden, in der Mittelschicht ist er jedoch weitaus tolerierbarer.
Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ergab, dass die Rohstoffkosten für die Herstellung eines Kubikmeters Spanplatten bei einem 15-prozentigen Rapsstroh-Anteil um knapp 9 Prozent und bei einem 15-prozentigen Getreidestroh-Anteil um knapp 7 Prozent höher liegen als beim Einsatz von 100 Prozent Holzspänen. Alle anderen Produktionsparameter blieben unverändert, die Berechnungen bezogen sich auf die Produktionsbedingungen der Lud. Kuntz GmbH. Der Spanplattenhersteller geht davon aus, dass bei sich ändernden Rohstoffkosten die Ackerpflanzen durchaus auch die preisgünstigere Variante darstellen könnten. Lud. Kuntz vertreibt bereits heute erste Produkte mit Einjahrespflanzen.
Quelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.