Grüne Dächer, noch vor nicht allzu langer Zeit vornehmlich als skurriler Luxus betrachtet, sind heute fester Bestandteil einer zeitgemäßen, ökologischen Stadt- und Siedlungsplanung. So wurden in Deutschland z.B. 1997 rund 11 Mio. m² Dachfläche begrünt, wodurch sich zumindest ein Teil der durch Bebauung verloren gegangenen Freiräume zurückgewinnen ließ - verbunden mit vielfältigem Nutzen.
Dachbegrünung - vieles spricht dafürDie Vorteile fachmännisch begrünter Dächer zeigen sich im ökologischen, bautechnischen, persönlichen und z.T. auch ökonomischen Bereich, wie zum Beispiel:
* Anbieten von Ersatzlebensraum für Tiere und Pflanzen (Dachbegrünungen werden nach dem BNatSchG § 8 als Ausgleichsmaßnahme anerkannt - Ausgleichszahlungen entfallen ggf.)
* naturverträgliche, dezentrale Regenwasserbewirtschaftung (durch Wasserrückhaltung und verzögerten Regenwasserabfluss, Entlastung der Abwassersysteme)
* Verringerte Abwassergebühr (in Gemeinden mit ?gespaltener Abwassergebühr?, d.h. mit separater Gebühr für Niederschlagswasser von versiegelten Flächen, somit nicht für Dachbegrünungen)
* Verbesserung des Kleinklimas (Staub- und Schadstoffbindung aus der Luft, Erhöhung der Luftfeuchtigkeit)
* Hitze- und Kälteschutz (dämmende Wirkung im Sommer und Winter, Energieeinsparung)
* Lärmminderung im Gebäude (Luftschalldämmung)
* Erhöhung der Lebensdauer der Dachabdichtung (Schutz vor UV-Strahlung, Hagel, extremen Temperaturdifferenzen)
* Verbesserung des Arbeits- und Wohnumfeldes (erhöhte Lebensqualität, v.a. bei einsehbaren oder begehbaren Begrünungen)
* Verbesserung des Stadt- und Landschaftsbildes (Erhöhung des Grünflächenanteils, attraktives Einbinden von Gebäuden in die Landschaft)
Arten der DachbegrünungTabelle 1: Wesentliche Merkmale der verschiedenen Arten von Dachbegrünungen
Dachbegrünungen werden in der Regel unterschieden nach dem bautechnischen Aufwand, der Begrünungs- und Nutzungsform (s. Tabelle 1):
Aufwändige Intensivbegrünungen
beinhalten nahezu uneingeschränkte Gestaltungsvielfalt - in etwa vergleichbar mit bodengebundenen Grünflächen - sind jedoch mit einem hohen Aufwand verbunden. So ist z.B. bei der kostenintensiven Anlage von hohen Substratschichten (mit entsprechender Dachlast) und weiterhin von umfangreichen, wie im Garten üblichen Pflegemaßnahmen auszugehen.
Einfache Intensivbegrünungen
kommen mit wesentlich geringeren Schichthöhen aus und benötigen in der Regel keine Bewässerung. Hierdurch wird allerdings die Nutzungsvielfalt deutlich eingeschränkt, d.h. für die Begrünung eignen sich meist nur trockenverträgliche Gräser, Stauden und Kleingehölze.
Extensivbegrünungen
stellen aufgrund der kostensparenden, geringen Schichthöhe meist ausgesprochene Trockenstandorte dar. Es können daher nur Pflanzen mit besonderer Anpassung an diese Standortbedingungen verwendet werden. In der Regel setzt sich der naturnahe Bestand aus Sukkulenten (v.a. Sedum-Arten) und wenigen, trockenresistenten Gräsern und Kräutern zusammen, die sich weitgehend selbst erhalten und weiterentwickeln.
Standardaufbau einer DachbegrünungAbb. 1: Standardaufbau einer Dachbegrünung
Der Standardaufbau eines Gründachs besteht aus einer wurzelbeständigen Dachbahn, Schutzlage, Dränschicht, Filterschicht und Vegetationstragschicht (s. Abb.1). An jede dieser Schichten, die unterschiedliche Funktionen erfüllen, sind hohe Anforderungen zu stellen.
Wurzelbeständige Dachbahn
Als Grundvoraussetzung ist bei Dachbegrünungen eine wurzelfeste Dachabdichtung bzw. eine Wurzelschutzbahn auf der vorhandenen Abdichtung zu fordern. Hiermit soll auf Dauer verhindert werden, dass Niederschlagswasser in die Dachkonstruktion bzw. in das Gebäude eindringen kann.
Zur Dachabdichtung bzw. als Wurzelschutz werden zahlreiche Produkte aus unterschiedlichen, grundsätzlich geeigneten Werkstoffen angeboten, wie z.B. Thermoplaste (z.B. PVC-P, PE), Polymerbitumen (PYE, PYP) und Elastomere (z.B. EPDM). Es sollten ausschließlich Bahnen eingesetzt werden, denen in einem Prüfzeugnis eine Wurzelfestigkeit nach dem FLL-Verfahren attestiert wurde. Die dabei zugrunde gelegte strenge Prüfung der Bahnen, die z.B. auch an unserem Institut durchgeführt wird, sichert den erforderlichen Qualitätsstandard beim Wurzelschutz von Dachbegrünungen.
Schutzlage
Um die Dachdichtung bzw. Wurzelschutzbahn v.a. während der Bauphase vor mechanischen Beschädigungen zu schützen, sind Schutzplatten oder -bahnen z.B. aus Recycling-Kunststoffgranulat oder Schaumstoffen aufzulegen. Bei geringerer Belastung können auch dicke Kunststoffvliese (300-500 g/m²) verwendet werden.
Dränschicht
Diese Schicht hat die Funktion, aus der darüber liegenden Vegetationstragschicht einsickerndes Niederschlagswasser aufzunehmen, in die Ablaufvorrichtungen zu leiten und somit Staunässe zu vermeiden. Da Dränschichten darüber hinaus auch als Wurzelraum dienen, ist es sinnvoll, Stoffe zu verwenden, die in gewissem Umfang Wasser speichern können. Es eignen sich dazu offenporige mineralische Stoffe, wie z.B. Lava, gebrochener Blähton oder Blähschiefer und Ziegelbruch in grober Kör-nung (Korngröße ca. 4-16 mm).
Filterschicht
Sie verhindert, dass feine Boden- und Substratteile aus der Vegetationstragschicht in die Dränschicht eingeschlämmt werden und deren Wasserdurchlässigkeit beeinträchtigen. In der Regel werden hierfür Kunststoffvliese (100-200 g/m²) verwendet, die wasserdurchlässig und gut durchwurzelbar sind.
Vegetationstragschicht
Diese Schicht bildet als eigentlicher Wurzelraum der Vegetation die Grundlage für das Pflanzenwachstum. Sie muss v.a. einsickerndes Wasser in ausreichendem Umfang speichern, aber auch Überschusswasser rasch an die Dränschicht abgeben. Hierzu bedarf es besonderer physikalischer Eigenschaften, die auch langfristig erhalten bleiben.
In der Regel werden struktur- und lagerungsstabile Substrate verwendet, die sich aus mineralischen Komponenten (siehe Dränschicht) mit einer Korngrößenverteilung von ca. 2-12 mm und organischen Stoffen (z.B. Kompost, Rindenhumus, Torf) zusammensetzen.
Einschichtaufbau
Abweichend von dem oben beschriebenen Standardaufbau werden Extensivbegrünungen zunehmend im einschichtigem Aufbau angelegt, was großflächige und kostengünstige, weil einfach auszuführende Dachbegrünungen erlaubt. Die sehr vorteilhafte Vereinfachung der Bauweise bedeutet aber auch, dass eine einzige Schicht die dauerhafte Funktionsfähigkeit der Dachbegrünung sicherstellen muss. Hieraus resultieren hohe und z.T. gegenläufige Anforderungen an diese mehrfunktionale Schicht. Eine auch langfristig erfolgreiche Einschichtbegrünung kann daher nur bei Verwendung qualitativ hochwertiger Substrate sichergestellt werden. Es eignen sich hierfür wiederum die oben genannten offenporigen mineralischen Stoffe in einer Körnung von 0-12 mm, denen jedoch keine oder nur sehr geringe Anteile an organischen Stoffen (max. 5 Vol.%) zugemischt werden sollten. Zudem sind die Gehalte an sehr feinen, abschlämmbaren Partikeln auf kleiner bzw. gleich 5 Gew.% zu begrenzen.
DachneigungEine geringe Neigung der Dachfläche (1-3°) ist günstig, da die Vegetationstragschicht ausreichend Wasser für die Pflanzen speichern kann, andererseits aber überschüssiges Niederschlagswasser sicher abgeführt wird (kein Wassereinstau). Maßnahmen zur Erosion von lagerungsstabilen Drän- bzw. Vegetationstragschichten sind nicht notwendig.
Ab einer Dachneigung von rund 20° sind Rutsch- und Schubsicherungen erforderlich, um eine Erosion der Schichten durch die zunehmende Abflussgeschwindigkeit des Niederschlagswassers zu vermeiden.
Als obere Grenze für einen stabilen Grünaufbau werden im allgemeinen rund 30° Dachneigung angesehen.
Zusammenfassung und AusblickFachgerecht angelegte Gründächer bieten gegenüber unbegrünten Dachflächen zahlreiche Vorteile - bis hin zu einer längeren Lebensdauer des Dachs.
Der Aufwand und die Kosten für eine Begrünung sind relativ gering, sofern sie extensiv mit einschichtigem Aufbau ausgeführt wird.
Auf der Basis umfangreicher Forschungsarbeiten sind inzwischen ausreichende technische Vorgaben für sichere und beständige Dachbegrünungen vorhanden, wodurch sich auch die Akzeptanz für Gründächer deutlich erhöht hat.
Ein hoffnungsvoller Ausblick, mit Worten von Friedensreich Hundertwasser, kann daher lauten: ?Dachbegrünungen sind die Dachbedeckungen der Zukunft. Man wird sich schwer vorstellen können, dass es einmal eine Zeit gab, in der die Dächer tot waren - ohne Leben und ohne Vegetation.
Quelle: Institut für Gartenbau
Martin Jauch, Dipl. Ing. (FH) Gartenbau