Der anhaltende Boom bei den Solaranlagen hat Deutschlands Brandschützer eiskalt erwischt
Das Feuer brach zwar im Untergeschoss aus, doch weitere Gefahr drohte von oben: Als die Feuerwehr im nordrhein- westfälischen Rösrath dieses Jahr zu einem vermeintlichen Routineeinsatz ausrückte, erlitt einer der beteiligten Löschspezialisten einen schweren Stromschlag. Als Verursacher stellte sich eine große Photovoltaikanlage auf dem Dach heraus, deren in den Keller führende Gleichstrom- Leitung trotz ausgeschalteten Systems unter Spannung stand - ein Umstand, den die Floriansjünger nicht kannten.
Ob in Rösrath, Weißenburg, Aichach, Gräfelfing oder Mengen: Deutschlands Brandschützer werden zunehmend mit einem Problem konfrontiert, das ihnen der seit fünf Jahren anhaltende Solarboom auf deutschen Dächern beschert. Kommt es dort oder an einer anderen Stelle zu einem Feuer, dann können sich die beliebten Kleinkraftwerke zur brandgefährlichen Falle entwickeln. Zwar kann durch Umlegen des Hauptschalters oder Ziehen einer Sicherung der Großteil der Anlage ausgeschaltet werden. Dagegen ist die Gleichstromseite - die auf dem Dach montierten Zellmodule und die von ihnen zum Wechselrichter führenden Solarkabel - nicht einfach zu deaktivieren. Solange Licht auf die Zellen fällt, wird Strom produziert. Je nach Größe der Einrichtung kann die Spannung bis zu 1000 Volt betragen. Solch einer heiklen Situation sahen sich im letzten Sommer die Einsatzkräfte bei einem Lagerhallenbrand in der Nähe der schleswig-holsteinischen Ortschaft Hohenaspe ausgesetzt, nachdem sie bei anbrechender Dämmerung gegen vier Uhr morgens eingetroffen waren. Als "problematisch" vermerkt ein Protokoll die Tatsache, dass "auf dem Dach der Halle eine Photovoltaikanlage installiert war, die auch bei wenig Licht elektrische Spannung erzeugt". Da ihnen die Anlage nicht geheuer war, ließ man das Bauwerk "kontrolliert abbrennen".
Nachdem weiterhin jedes Jahr einige zehntausend neue Anlagen gebaut werden, befürchten Experten eine Zunahme dieser gefährlichen Zwischenfälle. Andreas Kattge von der Hamburger Feuerwehr: "Das Gefährdungspotenzial für die Einsatzkräfte ist erheblich."
Als Lösung sehen Experten vor allem Freischaltstellen direkt an den Modulen (s. Grafik). Damit wäre der Solargenerator isoliert. Solche Bauteile wurden entwickelt, konnten sich aber - auch wegen der Kosten - am Markt nicht durchsetzen. Bundesweit bemängeln die Feuerwehren zudem, dass es keine konkreten Brandschutzvorschriften für Photovoltaikanlagen gibt. So werden Dächer oft komplett mit den Solarmodulen eingedeckt. "Bei der Feuerbekämpfung wirkt so eine Riesenanlage wie ein Deckel, der den äußeren Zugang zur Brandstelle verhindert", moniert ein erfahrener Helfer. Zusätzlich verhindern die zahlreichen Modul-Modelle mit ihren unterschiedlichen Aufbau- und Befestigungsmöglichkeiten einheitliche Hinweise für die Vorgehensweise bei der Löscharbeit.
Eine genauere Anleitung hätte auch mancher Installateur nötig, zumal schlampig aufgebaute Systeme immer wieder zu Feuerausbruch führen. So weist denn Uli Motzer, Schadensregulierer bei der Württembergischen Versicherung, auf die Gefahren des Photovoltaikaufwinds hin. Viele Neueinsteiger aus den unterschiedlichsten Branchen würden angelockt: "Jeder fühlt sich berufen, solche Anlagen zu installieren." Diesen Leichtsinn kritisiert auch Franz Josef Kuhn, Professor für Ingenieurswissenschaften an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen. Häufig würden die teuren Module von Handwerkern montiert, die kaum etwas vom Fach verstehen. Schon lange fordert er eine TÜV-Prüfung für diesen Bereich. "In der Solarszene herrschen Zustände wie im Wilden Westen."
Quelle: Magazin: Focus 05.10.2009 PHOTOVOLTAIK / Von Günter Stauch