Kein anderes Land im Kerngebiet der Europäischen Union hat sein Schienennetz in den vergangenen 20 Jahren so gewaltig geschrumpft wie Deutschland.
Mit einem Minus von 17,4 Prozent im Zeitraum von 1990 bis 2008 gehört Deutschland zu den abgeschlagenen Schlusslichtern der EU 27: Nur Polen platzierte sich mit einem Abbau von 25,2 Prozent seiner Netzlänge noch hinter Deutschland.
Nach einer Aufstellung der Allianz pro Schiene, die auf Daten der EU-Kommission basiert, schrumpfte das Schienennetz in ganz Europa im selben Zeitraum um 8,1 Prozent. Dagegen setzte rund ein Drittel der EU-Länder auf den Ausbau des heimischen Eisenbahnnetzes: Die Schweizer Schienenwege wuchsen um 10,6 Prozent, Italien (plus 4,9 Prozent) und Spanien (plus 3,5 Prozent) bauten ebenfalls ihr Streckennetz aus.
„Mit seinem Schrumpfkurs geht Deutschland einen Sonderweg und droht, den internationalen Anschluss zu verpassen“, kritisierte der Vorsitzende der Allianz pro Schiene, Klaus-Dieter Hommel und warnte zugleich vor dem Reflex, die Streckenstilllegungen den Eisenbahninfrastrukturunternehmen anzulasten. „Die Verantwortung für die Schieneninfrastruktur liegt beim Staat: Die Netzschrumpfung ist politisch gewollt.“
Die Allianz pro Schiene beklagte, dass die Regierung beim Thema Neu- und Ausbau in Deutschland immer noch einseitig auf Asphalt setze. Während das Schienennetz seit 1990 ein Sechstel seiner Länge eingebüßt hat, wächst das deutsche Straßennetz kontinuierlich. Mit 231.000 Kilometern ist es heute 2,1 Prozent länger als 1991.
„Angeblich wollen wir Verkehrsverlagerung auf die Schiene, aber gleichzeitig werden Straßen gebaut und Schienen abgebaut“, sagte der Allianz-Vorsitzende. „Die tatsächlich praktizierte Schwerpunktsetzung geht damit in die falsche Richtung.“
Die Vorrangpolitik zu Gunsten der Straße spiegele sich auch in der Höhe der staatlichen Infrastrukturinvestitionen: Anders als viele europäische Nachbarn investiere Deutschland Jahr für Jahr deutlich mehr Geld in die Straße als in die Schiene.
Hommel erinnerte an die jüngste
Streichlisten-Diskussion zur Infrastruktur, bei der deutlich geworden war, dass viele Schienen-Projekte des vordringlichen Bedarfs ohne staatliche Finanzierung dastehen. „Statt immer weiter Autobahnen zu bauen, sollte der Bund endlich klare Prioritäten für den Schienenausbau setzten“, sagte Hommel.
Mit fünf Milliarden Euro jährlich, also etwa einer Milliarde mehr als im Haushalt vorgesehen, könne Deutschland in Europa den Anschluss halten, sagte Hommel. „Damit hätten wir dann wenigstens italienische Verhältnisse.“
Quelle: Allianz pro Schiene